Die Kocher-Villa «Haus der Universität»


Speisesaal der Kocher-Villa


Intro

Zwischen alten Baumbeständen und ausladenden Wiesenflächen erhebt sich mitten im Kocher-Park die Kocher-Villa mit ihrem Jahrhunderte alten Gemäuer, der grossen, geschweiften Terrasse und den herrschaftlichen Rundbogenfenstern. Im Innern des Gebäudes setzt sich die unvergängliche Eleganz dieser altehrwürdigen Villa nahtlos fort. Jeder Raum ist ein Unikat mit einem eigenständigen Charakter irgendwo zwischen Neubarock und Pariser Beaux-Arts. Als Haus der Universität bildet die Kocher-Villa heute ein Zentrum universitärer Begegnung und eine Stätte des Gesprächs über die Fach- und Fakultätsgrenzen hinweg.
(Haus der Universität)


Das Quartier

Die heutige Kocher-Villa befindet sich im Quartier „Villette“. Als vorstädtisches Wohnquartier diente dieses Quartier seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Grünfläche und später als Abgrenzung zwischen City West und der dichten Überbauung des Inselspitals. In den 1970 Jahren war das Gebiet stark gefährdet durch Überbauungsprojekte privater Investoren, teilweise hervorragende Bauten mussten weichen um für Neubauten Platz zu schaffen. Doch die Bevölkerung, der Berner Heimatschutz sowie die Stadt Bern haben sich für das Quartier eingesetzt. Sonderbauvorschriften und ein Baumschutzplan wurden erarbeitete. Die „Planung Villette“ wurde vom Volk 1979/80 angenommen. Dank diesem Plan konnten einige klassizistische Villen erhalten und das Quartierbild durch angemessene Neubauten beibehalten werden. Dieser Plan ist „zu würdigen als ein erster Versuch in der Stadt Bern, ausserhalb der Altstadt einen Beitrag zur Erhaltung von Bauten des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts zu leisten“ (Furrer 1993: 136), obwohl dieser aus heutiger Sicht eine Abbruchwelle in die Wege geleitet hat, welche zu viele „Opfer“ forderte (siehe Furrer et al 1993, 137ff.)

Die Villette im Laufe der Zeit:

Die Villette im Verlaufe der Zeit

 

Eine der wenigen klassizistischen Villen, welche durch die Planung gesichert werden konnte, ist die «Campagne Frisching» besser bekannt als die Villa Kocher. (Hauser et al 1986, 416; Furrer et al 1993, 135-136)


Die Villa und die Umgebung

Vom Landhaus zur Residenz

Die Ursprünge der heutigen Kocher-Villa liegen in den 1830er Jahren, vermutlich auf das Jahr 1828. Das Haus war damals im klassizistischen Stil errichtet worden.

Um 1880 wurde das Haus durch das Baugeschäft E. Müller zu einer prachtvollen Residenz ausgebaut, der Bauherr war Gabriel Rudolf Karl von Frisching, Bankier und Schweizer Konsul in Frankfurt (Die Familie von Frisching war eine Berner Patrizierfamilie, wessen Einfluss auf die Stadt Bern bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht). Das Haus wurde in neubarockem Stil ausgebaut, mit beidseitig grossen Veranden zur weiten Gartenanlage, dem heutigen Kocherpark. (Hauser et al 1986, 519)

Gemäss Keller et al (1989, 60) gehört das Haus zum „Besten und Originellsten der frühen Phase des neubarocken Villenbaus in Bern“.

Von der «Campagne Frisching» zur Kocher-Villa

Im Jahre 1909 verkauften dessen Nachkommen die «Campagne Frisching» nach verschiedenen Umbauten und Renovationen dem Berner Chirurgen und Nobelpreisträger Theodor Kocher (1841-1917). Kocher, der von 1872 bis 1917 auch als Professor an der Universität Bern tätig war, nutzte das Gebäude als Gästehaus für das nebenan von ihm errichtete Kocher-Spital. (Haus der Universität)

Ab 1915 wurde die Villa als Botschaftsgebäude genutzt – bis 1922 hatte hier die türkische, von 1932 bis 1985 die rumänische Botschaft ihr Domizil. Johann Albert Kocher, der Sohn Theodor Kochers, vermachte die Villa nach seinem Tod 1941 der Burgergemeinde Bern. In seinem Testament bestimmte Kocher, dass die Villa «wenn immer tunlich» als Repräsentationshaus für Empfänge oder sonstige Anlässe der Burgergemeinde verwendet werden solle. Die Grünanlage sollte zu einem öffentlichen Park mit dem Namen Theodor-Kocher-Park ausgestaltet werden. (Haus der Universität)

Der Kocherpark

Der Abbruchwelle in den 1990er Jahren fielen auch die Kocherhäuser im Kocherpark zum Opfer, welche in den Jahren 1839 41 erbaut worden und als die ältesten herrschaftlichen Miethäuser der Schweiz bekannt waren. Mit dem Tode von Theodor Kochers Sohn, ging die ehemals private, in englischem Stil gestaltete Gartenanlage in den Besitz der Burgergemeinde über und wurde somit für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie die Auflage im Testament besagt, darf der Park nicht überbaut werden.

1941 trat die Burgergemeinde den Theodor-Kocher-Park an die Einwohnergemeinde Bern ab. Im Rahmen der „Planung Villette“ wurde der Park vergrössert (die zusätzliche Fläche wurde durch die Burgergemeinde unentgeltlich abgetreten) - diese zusätzliche Fläche gehört räumlich zur Kocher-Villa. Anfang der 1990 Jahre wurde der Park durch die offene Drogenszene massiv in Mitleidenschaft gezogen, weshalb die Stadt Bern den Park im Jahre 1993 sanieren liess.
(Furrer et al 1993, 141; Anthos 1994: 46)

Das «Haus der Universität»

Nachdem das Volk 1980 die „Planung Villette“ (siehe Abschnitt „Das Quartier“) angenommen hatte, baute die Burgergemeinde das Haus zum «Haus der Universität» um:

Im Jahre 1984 feierte die Universität Bern ihr 150-Jahr-Jubiläum. In diesem Zusammenhang entstand die Idee eines «Hauses der Universität» als interdisziplinäre Bildungs- und Begegnungsstätte. Die 1966 gegründete Hochschulstiftung der Burgergemeinde mit dem Zweck, der Universität Gebäude für Lehre und Forschung zur Verfügung zu stellen, nahm die Idee auf und ermöglichte 1986/87 mit einem Kredit von 6,6 Millionen Franken zulasten des Stiftungsvermögens den Umbau und die Renovation der Kocher-Villa.
(Haus der Universität)

Die Stiftung «Haus der Universität» sorgt seither dafür, dass die Villa als ein repräsentatives Zentrum universitärer Begegnung und eine Stätte des Gesprächs über die Fach- und Fakultätsgrenzen hinweg genutzt wird. Das Haus der Universität steht in erster Linie der Universität Bern, aber auch anderen Institutionen des tertiären Bereichs sowie universitätsnahen Verwaltungen und Firmen für verschiedenartige Veranstaltungen, insbesondere des wissenschaftlichen Austausches und der Weiterbildung, zur Verfügung. 2003 haben die ZFV-Unternehmungen die Gastgeberrolle vor Ort übernommen. Das schweizweit tätige Gastronomie- und Hotellerieunternehmen führt seither sowohl den Seminar- und Tagungs- als auch den Restaurant- und Bankettbetrieb. (Haus der Universität)

Die Sanierung

Gemäss Keller et al (1989, 60) ist es ein Glücksfall, dass sich die Burgergemeinde dazu entschlossen hatte, die Villa zu renovieren und zum «Haus der Universität» umzubauen, da in früheren Jahrzehnten unsachgemässe Renovationen und Eingriffe das Innere wie Äussere massiv beeinträchtigten.

Im Grossen und Ganzen ist der Umbau sehr gelungen, ganz besonders die Belétage, da Täferungen, Stuckaturen, Deckenmalereien, Parkettböden und Cheminées erhalten werden konnten. Auch unsachgemässe frühere Renovationen wurden rückgebaut und der Originalzustand wiederhergestellt. Die Räumlichkeiten der Belétage geben einen „ausgezeichneten Eindruck der Raumgestaltung zu Ende des 19. Jahrhunderts„ (Keller et al 1989, 60).

Was die Aussenrenovation betrifft, so äussern sich Keller et al (1989) etwas kritischer und stellen einige Massnahmen in Frage (s. Seite 61), so z.B. die Farbgebung der Fassade oder das rekonstruierte Gesimse der Sichtbogenfenster.


Quellen:
Hauser, A., Röllin, P., Weber, B., „Städte“, INSA: Inventar der neueren Schweizer Architektur, 1850-1920, Band 2, 1986, p. 416ff.
Keller, J., Strasser, B., (Furrer, B.), "Öffentliche Bauten", Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Band 51, Heft 1-2, 1989, p. 60ff.
Furrer, B., Fivian, E., Hasler, R., "Denkmalpflege in der Stadt Bern 1989-1992", Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Band 55, Heft 1-2, 1993, p. 136ff.
Haus der Universität, http://www.hausderuniversitaet.ch (Zugriff 10. Februar 2014).
„Neues Bauen in alten Gärten und Anlagen“, Anthos: Zeitschrift für Landschaftsarchitektur, Band 33, Heft 1, 1994, p. 46.